Dienstag, 22. Juni 2021

 


Liebe Lesefreundinnen und -freunde

Nach längerer Pause möchte ich euch gern wieder ein spannendes Buch vorstellen, dass ich mit Interesse und Gewinn gelesen habe. Es heisst Klara und die Sonne, verfasst wurde es vom japanisch-britischen Schriftsteller Kazuo Ishiguro. Viele von euch kennen ihn wahrscheinlich von dem wunderbaren Film Was vom Tage übrig blieb, der auf dem gleichnamigen Roman von ihm basiert.

Klara und die Sonne spielt in einer wahrscheinlich nicht allzu entfernten Zukunft, in der es möglich sein wird, KFs , das heisst künstliche Freundinnen zu kaufen, deren Aufgabe darin besteht, Jugendliche auf dem Weg in die Gesellschaft zu begleiten. Klara ist so eine künstliche Freundin. Sie ist ein hochintelligenter, lernfähiger Roboter, der vor allem auf Empathie, Hilfsbereitschaft und Beziehungsfähigkeit programmiert ist. 

Das Buch ist kein Sciencefiction Roman im engeren Sinne. Ishiguro handelt eine ganze Reihe aktueller Themen ab. Zum einen natürlich die Bedeutung der immer lernfähigeren Robotern, die zunehmend wichtige Funktionen in unserer Gesellschaft übernehmen können und werden, dann die Frage der Abgrenzung zwischen Mensch und Roboter. Die Algorithmen, mit denen Klara programmiert ist, lassen sie weitgehend menschlich handeln und fühlen, und zwar so stark, dass ich als Leser eine menschliche Haltung zu ihr eingenommen habe, so wie auch die Figuren des Romans. Spannend habe ich gefunden, wie es Ishiguro gelingt, immer wieder die Unterschiede zwischen Mensch und Roboter, sei er noch so lernfähig, herauszuarbeiten.

Ich habe den Roman nicht als Warnung vor einer dystopischen Zukunft gelesen, sondern als einen Aufruf, sich Gedanken über mögliche Entwicklungen im Bereich der zunehmenden Digitalisierung unseres Lebens zu machen.  Für das lohnt sich die Lektüre sehr.

Donnerstag, 15. Oktober 2020

 Liebe Lesefreundinnen- und freunde

Bisher habe ich euch immer wieder Romane vorgestellt, die mir besonders gefallen haben. Heute stelle ich euch ein Buch vor, das in die Kategorie Erfahrungsbericht gehört. Es heisst Unter einem Dach und wurde von Amir Baitar, einem jungen Syrer und Henning Sussebach, einem deutschen Journalisten verfasst. Amir Baitar ist vor dem Krieg in Syrien über verschiedene Stationen nach Deutschland gelangt, wo er nach einem längeren Aufenthalt in einem sächsischen Flüchtlingslager von der Familie Sussenbach in Hamburg aufgenommen wurde. In dem Buch werden in dialogischer Form die Erfahrungen aus der Sicht des Syrers und des Henning Sussebach beschrieben. Ich habe kaum je den Integrations- und gegenseitigen Assimilationsprozess beschrieben gelesen, wie in diesem Buch. Ohne Idealisierung und ethnologischer Romantisierung schildern die Beteiligten ihre Erfahrungen. Sehr lesenswert.







Sonntag, 20. September 2020

 Liebe Lesefreundinnen und -freunde

Heute möchte ich euch ein Buch vorstellen, dass mich sehr beeindruckt hat. Es heisst Dankbarkeiten und wurde von Delphine de Vigan geschrieben. Manchen von euch ist sie vielleicht auch bekannt für ihr Buch Nach einer wahren Geschichte, das ich mit Begeisterung gelesen habe. 

In Dankbarkeiten beschreibt sie die Geschichte von Michka, einer Jüdin, die nach einem arbeitsreichen Leben ins Altersheim kommt, wo sie liebevoll von Marie, einem ehemaligen Nachbarskind und Jérome, dem Logopäden betreut wird. Aufgrund ihrer Aphasie verliert Michka nach und nach den Zugang zur Sprache. Ihr letzter grosser Wunsch ist, sich bei einem französischen Ehepaar zu bedanken, dass sie während der deutschen Besatzung Frankreichs aufgenommen und vor den Nazis versteckt hat. In dem kurzen Roman von de Vigan geht es um Beziehung, Vertrauen, Liebe, Dankbarkeit und Verzweiflung. Trotz des eher traurigen Themas habe ich ihn gerne gelesen. 






Mittwoch, 9. September 2020

Liebe Lesefreundinnen und Lesefreunde
Lange habe ich nichts von mir hören lassen, was aber nicht heisst, dass ich kein Buch mehr in die Hand genommen habe. Ganz im Gegenteil! Ich habe sehr viel gelesen, und heute möchte ich euch gern wieder ein paar Titel nennen.

Ganz am Anfang grad ein nicht leicht verdauliches Buch von Eugen Ruge mit dem Titel Metropol. Eugen Ruge wird vielen von euch bekannt sein von seinem Buch In Zeiten des abnehmenden Lichtes. In seinem neuen Buch beschreibt er das Schicksal seiner Großmutter, die mit ihrem Mann in den Dreissigerjahren voller Idealismus in die Sowjetunion ging und dort in die Mühlen des stalinistischen Repressionsapparates geriet. Die Lektüre ist bedrückend und zum Teil fast nicht auszuhalten, aber sie lohnt sich.


Metropol von [Eugen Ruge]

Sehr lesenswert finde ich auch das schon etwas ältere Buch Das Wochenende von Bernhard Schlink, bekannt natürlich durch seinen Roman Der Vorleser.
Nach langer Haft wird ein ehemaliges RAF-Mitglied aus der Haft entlassen und verbringt das erste Wochenende in Freiheit mit  seinen ehemaligen Freunden, mit dem ihm eine zwanzig Jahre zurückliegende terroristische Phase verbindet. Eindrücklich beschreibt Schlink das Aufeinandertreffen der Freunde, die sich inzwischen alle mehr oder weniger in einer gutbürgerlichen  Existenz eingerichtet und ihren ehemaligen Taten und Freunden und dem Entlassenden gegenüber hochambivalent eingestellt sind. Sehr spannend zu lesen!

Das Wochenende (detebe)


Aktuell lese ich gerade das Buch Der Milchmann von Anna Burns
Die Geschichte spielt in einer nordirischen Stadt zur Zeit der Troubles der Siebzigerjahre. Burns schildert das Schicksal eines jungen Mädchens, das im Umfeld von Gewalt, Angst, Terror, und Bigotterie ein selbstbestimmtes Leben zu führen versucht. Eindrücklich beschreibt Burns, wie ein Leben unter diesen Umständen die Menschen deformiert und kaputt macht. 


Milchmann: Roman
 

Sonntag, 7. Oktober 2018

Hier wieder einmal ein paar lesenwerte Bücher

Liebe Lesefreundinnen, liebe Lesefreunde
Gerne berichte ich wieder einmal von Büchern, die mich in der letzten Zeit beeindruckt haben.

Ein grundzufriedener Mann: Roman (Taschenbücher)


Da ist zum einen der Roman Ein grundzufriedener Mann von Richard Russo. Russo beschreibt in dem Buch das Leben der einfachen Leute von North Bath, einem kleinen ländlichen Ort nördlich von New York. Im Zentrum steht die Geschichte von Donald Sullivan, der ein zufriedenes Leben führt, obwohl er geschieden ist, ein kaputtes Knie und eine Affäre mit einer verheirateten Frau hat. Sullivan stellt das Gegenbild eines Menschens dar, der nach Erfolg, Geld oder Macht strebt. Russo beschreibt das Leben seiner Protagonisten in North Bath mit sehr viel Liebe und Ironie. Die Lektüre gibt einen tiefen Einblick in das Leben der einfachen Menschen in Amerika, der Menschen, die abseits des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Mainstreams ihr Leben meistern.



Neujahr: Roman

Sehr empfehlen kann ich auch das letzte Buch von Juli Zeh mit dem Titel Neujahr.
Julie Zeh, die ich bereits schon einmal mit ihrem Buch Leere Herzen vorgestellt habe, beschreibt die Geschichte von Henning, verheiratet, zwei Kinder, periodisch von Angstattacken geplagt, der anlässlich eines Ferienaufenthaltes auf Lanzarote mit einer traumatischen Erfahrung aus seiner Kindheit konfrontiert wird. Ich war extrem beeindruckt davon, wie Juli Zeh die Befindlichkeiten von Henning, seine Angst- und Panikattacken, das Verhältnis zu seiner Frau und Kindern, und die traumatische Erfahrung aus seiner Kindheit auf Lanzarote beschreibt. Einfach meisterhaft und sehr zur Lektüre empfohlen, obwohl es phasenweise fast nicht zum Aushalten ist.



Manhattan Beach: Roman

Schliesslich möchte ich euch noch einen Roman vorstellen, der angesichts der länger werdenden Abende eine wunderbare Leseerfahrung bietet. Er heisst Manhattan Beach und geschrieben wurde er von Jennifer Egan. Der Roman spielt im New York der Dreissiger- und Vierzigerjahre und beschreibt das Leben von Anna, die unbedingt Marinetaucherin werden möchte, was ihr trotz aller Widerstände auch gelingt. Eines Tages verschwindet ihr Vater, der durch die Weltwirtschaftskrise verarmt ist und sich und seine Familie mit Botendiensten im korrupten Gewerkschaftsmilieu über Wasser hält. Der Roman verführt uns in die Glamourwelt der Upperclass, in die Schattenwelt der Clubs und Syndicate und in die Marinewerften von New York. Ein richtiger Schmöker, der manchmal an der Grenze des Unwahrscheinlichen kratzt und nicht immer frei von Kitsch ist, den ich aber trotzdem mit Spannung gelesen habe. Wenn ich das Ende eines Buches bedaure, dann nehme ich das als Qualitätsmerkmal, und bei diesem Buch ist es mir so ergangen.

Sonntag, 1. April 2018

Ein paar Lesetipps aus meiner Leseecke






 Liebe Lesefreundinnen, liebe Lesefreunde

Lange habe ich nichts von mir hören lassen. Das hatte nichts damit zu tun, dass ich nicht gelesen hätte. Ganz im Gegenteil! Gelesen habe ich schon, aber im Hinblick auf meinen anstehenden Sprachaufenthaltes in Shanghai habe ich mich sehr mit Literatur aus und über China beschäftigt, und das dünkt mich für viele nicht so interessant. Am kommenden Wochenende beginnt die Reise und ich werde euch danach einige Lesevorschläge machen.

Die rothaarige Frau: Roman
 

Trotzdem habe ich zwischendurch natürlich auch noch ein paar andere interessante Bücher gelesen. Da ist zum einen der letzte Roman von Orhan Pamuk mit dem Titel Die rothaarige Frau. Pamuk beschreibt in dem Buch die Geschichte von Cem, der bei einem Brunnenbauer in die Lehre geht, um ihm bei einem Bohrprojekt in der Nähe eines kleinen Orts ausserhalb Istanbuls zu helfen. Hier bekommt er Kontakt zu einer rothaarigen Frau, in die er sich verliebt. Nach einem schrecklichen Unfall am Bohrloch flieht Cem. Im weiteren Verlauf des Buches schildert Pamuk, wie Cem sich ein Leben als Ingenieur aufbaut. Ich beschreibe die Handlung absichtlich so vage, um möglichst wenig zu verraten. Bis zum Unfall am Bohrloch habe ich das Buch mit Spannung gelesen. Das Bestreben von Cem, von seinem Meister anerkannt zu werden, hat mich sehr berührt. Im weiteren Verlauf des Buches bekam ich zunehmend den Eindruck, dass Pamuk gefangen ist von dem Bestreben, die  Handlungen seiner Protagonisten mit der Ödipusthematik zu verweben. Dadurch bekam die Handlung für mich etwas Konstruiertes und Voraussagbares. Bevor ihr euch auf Grund meiner Aussagen gegen das Buch entscheidet, würde ich euch raten, auch die Kritiken unter www.perlentaucher.de zu lesen.

Der letzte Schnee

 
Mit anfänglicher Skepsis und zunehmender Begeisterung habe ich von Arno Camenisch das Buch Der letzte Schnee gelesen. Zwei Männer werden beschrieben, die an einem Skilift arbeiten in einem Skigebiet, das auf Grund des Klimawandels zunehmend an Bedeutung verliert mit der Konsequenz, dass das Gebiet inklusive dem Dorf und der Talschaft stirbt. Die zwei Protagonisten werden von Camenisch als einfache Personen dargestellt, die im Grunde nicht wirklich verstehen, was um sie herum passiert. Da der Autor auch versucht, im Sprachcode der beiden zu schreiben, war ich zunächst etwas ambivalent, da ich zunächst das Gefühl hatte, er mache sich lustig über sie. Mir kam beim Lesen immer der Kabarettist Joachim Rittmeyer in den Sinn. Dieser Eindruck verflüchtigte sich aber sehr schnell. Camenisch beschreibt die beiden in ihrer fast schon tragischen Lebenssituation mit sehr viel Empathie und Liebe. Das Buch finde ich sehr lesenswert.

 Sturm und Stille

 
Noch ein letztes Buch möchte ich erwähnen. Es heisst Sturm und Stille, geschrieben hat es Jochen Missfeld. Wer ein Faible hat für die Nordsee, Schleswig Holstein und Theodor Storm, dem kann ich dieses Buch sehr empfehlen. Missfeld, ein ehemaliger Bundeswehrpilot, der bereits eine Storm-Biografie geschrieben hat, beschreibt in dem Buch die Geschichte der Dorothea Jenssen, die über viele Jahre die Geliebte von Storm war, und ihn schliesslich heiratete,  nachdem dessen Frau nach der Geburt des siebten Kindes gestorben war. Über das Leben der Dorothea Jenssen ist nur wenig bekannt. Missfeld schreibt das Buch in Form einer Autobiografie, in die er reale und erdichtete Ereignisse einflicht. Geschrieben ist es im Sprachstil und der Denkweise des mittleren 19. Jahrhunderts. Obwohl ich die Sprache manchmal etwas sehr beschaulich gefunden habe, hat mir das Buch sehr gefallen, beschreibt Missfeld darin doch eindrücklich das Leben einer Frau, die aufgrund gesellschaftlicher Normen zu einem schweren Leben gezwungen war, das sie mit grosser Stärke und Durchsetzungskraft bewältigte. Und natürlich hat mir die Lektüre auch als ehemaliger Schleswig-Holsteiner Spass gemacht.

Sonntag, 7. Januar 2018

Meine Lektüre während der Weihnachtszeit



Liebe Lesefreundinnen, liebe Lesefreunde
Heute möchte ich euch von ein paar Büchern erzählen, die ich seit meinem letzten Blog gelesen habe. Gerade das letzte hat mich sehr beeindruckt. 

 Wie man wird, was man ist: Memoiren eines Psychotherapeuten

 Es ist die Autobiographie von Irvin Yalom. Einige von euch haben vielleicht den Film 'Yaloms Cure' gesehen. Yalom gehört wohl zu den berühmtesten Psychotherapeuten weltweit, und in dem Werk 'Wie man wird, was man ist' beschreibt er seinen Weg aus einem Washingtoner Schwarzenghetto hin zu einem weltweit anerkannten Therapeuten, Lehrer und Schriftsteller. Neben vielen Begebenheiten aus seinem persönlichen Leben kann das Buch auch als eine Geschichte der Psychotherapie der letzten fünfzig Jahre gelesen werden. Yalom ist eine faszinierende Persönlichkeit, deren Handeln von einer grossen Menschlichkeit und Empathie geprägt ist. Das Buch könnte auch für solche von euch, die nicht so psychotherapienah sind, von Interesse sein.



 Nora Webster: Roman

 
Manche von euch kennen vielleicht das Buch 'Brooklyn' von Colm Toibin. Ich habe es vor Jahren mit Spannung gelesen. 2016 ist ein Roman von ihm erschienen unter dem Titel 'Nora Webster'. Die Geschichte spielt in Irland der Sechzigerjahre und beschreibt das Leben einer Frau, deren Mann gestorben ist und die alleinstehend ihre vier Kinder durchbringen muss. Sehr langsam und unspektakulär erzählt Toibin, wie sich seine Protagonistin, eine starke, katholische und kluge Frau in dem engen Rahmen ihrer Familie, des Dorfes, ihrer Arbeitsstelle und der katholischen Kirche einen eigenständigen Platz erkämpft. Für die Irlandfreunde unter euch eine spannende Erzählung.



 Das Päckchen: Roman


Natürlich darf auch die Schweizer Literatur nicht zu kurz kommen. Man stelle sich vor, man steht am Bahnhof an den öffentlichen Telefonen, möchte gerade daheim anrufen und da klingelt das benachbarte Telefon. Man nimmt ab, am anderen Ende der Leitung ist eine wohl schon ältere Frau, die einen mit seinem Namen anspricht und darum bittet, möglichst schnell vorbeizukommen, um ein Päckchen in Empfang zu nehmen. So beginnt das neue Buch von Franz Hohler mit dem Titel 'Das Päckchen'. Daraus entfaltet sich eine Geschichte, die uns Leser bis ins Mittelalter und in die Wirren in der Endphase des 2. Weltkrieges in Italien führt. Es ist amüsant zu lesen und sehr unterhaltsam. 



Am Arsch vorbei geht auch ein Weg: Wie sich dein Leben verbessert, wenn du dich endlich locker machst



 Als letztes möchte ich euch ein Selbsthilfebuch vorstellen, das den charmanten Titel 'Am Arsch vorbei geht auch ein Weg' trägt. Geschrieben hat es Alexandra Reinwarth. Mit erfrischendem Witz und ohne viel Tiefgang beschäftigt sie sich mit der Frage, warum wir Verhaltensweisen aufrechterhalten oder uns mühsamen Situationen aussetzen, obwohl wir wissen, dass sie uns nicht gut tun. Damit geht sie dem durchaus ernstzunehmenden Thema nach, wieviel wir bereit sind zurückzustecken aus Angst vor Konflikten oder Liebes- und Anerkennungsverlust. Manches in dem Buch ist vielleicht etwas sehr salopp formuliert und ein ausgewiesener Fachmann für Veränderungsprozesse im psychologischen Bereich wird manches Mal die Stirne runzeln, ich habe die Lektüre insgesamt aber anregend und amüsant gefunden