Donnerstag, 17. November 2016

Ein Shakespeare-Drama, erzählt aus einer sehr speziellen Perspektive



 









Liebe Lesefreunde
Heute berichte ich euch vom neusten Roman von Ian McEwan mit dem Titel 'Nussschale'. Die Geschichte handelt von der hochschwangeren Trudy, die im Haus ihres Mannes mit dessen Bruder als ihren Liebhaber lebt. Beide verfolgen einen finsteren Plan, nicht ahnend, dass in dem ungeborenen Kind ein geistig und intellektuell hoch entwickeltes Wesen steckt, das alles mitbekommt, was in seiner Umgebung gesprochen wird. (Lewinsky lässt grüssen!) So entfaltet sich eine Geschichte voll von List, Verrat, Leidenschaft, durchzogen von Situationen voller Komik und Witz.
In der Kritik wird der Roman sehr unterschiedlich bewertet. Im Literaturclub vom 15.11. reichte das Spektrum der Meinungen von grosser Begeisterung bis hin zu starker Ablehnung. Auch bei mir hat der Roman einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. McEwan gehört unzweifelhaft zu den Autoren, die eine immense Sprachkraft besitzen, die mit wenigen Sätzen Personen und Situationen meisterhaft beschreiben können, die mit intellektuellem Scharfsinn eine Fülle von Gedanken und Beobachtungen einstreuen. Mein Vorbehalt richtet sich gegen die zentrale Figur des noch nicht geborenen Kindes, aus dessen Warte die Geschichte erzählt wird. McEwan gelingt es nicht, die spezielle Situation des Fötus auf der einen Seite und des voll entwickelten Verstandes auf der anderen zu entwickeln und literarisch zu nutzen. So nutzt sich das Motiv mit der Zeit ab und es bleibt 'nur' die Spannung einer thrillermässigen Geschichte, die dem Level von McEwan eigentlich nicht entspricht. Kurz zusammengefasst: Ich bin ein grosser McEwan-Fan und Nussschale ist sicher nicht sein bester Roman.

Montag, 7. November 2016



 










Liebe Lesefreunde
Was passiert, wenn britische Investmentbanker in der Wüste Tunesiens eine Luxushochzeit feiern und plötzlich die britische Wirtschaft zusammenbricht, so dass sie aller ihrer finanziellen Ressourcen beraubt sind? Dies ist der Plot der Novelle 'Frühling der Barbaren' des Schweizer Autors Jonas Lüscher. Mit brillanten Personenschilderungen und einer genialen, witzigen Sprache führt er uns in die Welt der Yuppies ein, die auf Grund unanständig hoher Löhne und Boni in ihrem eigenen Kosmos leben, der jäh durch den Zusammenbruch zerstört wird. Die Kritiker sind begeistert und ich kann mich dem anschliessen. Es handelt sich um ein kleines Buch, das ein grosses Thema bestechend abhandelt.  Ein Lesegenuss der speziellen Art!

Donnerstag, 3. November 2016

Die Geschichte einer zweiten und dritten Chacne



 










Liebe Lesefreunde
Heute stelle ich euch das neuste Werk des Schweizer Autors Charles Lewinsky vor. Es trägt den Titel 'Andersen'. Den Schweizer LeserInnen unter euch ist er sicher bekannt durch seine zahlreichen Bücher, die ich mit Interesse und Spannung gelesen habe. Vorweg gesagt, Lewinsky kann spannend und mitreissend schreiben, sein Stil ist flüssig.
Das neuste Buch hat allerdings zwiespältige Gefühle bei mir hinterlassen. Kurz gesagt handelt es sich um die Geschichte eines menschlichen Monstrums, eines durch und durch bösen Menschen, der noch einmal auf die Welt kommt. Im Körper des Neugeborenen steckt also ein fertiger Erwachsener, während seine Eltern ihn, ganz entzückt und hingerissen, als normales Baby wahrnehmen, nicht ahnend, was da vor ihnen in der Krippe liegt. Ein rechter Teil der Spannung liegt darin, dass wir als Leser in der Position des Wissenden sind und stets realisieren, wie falsch die Eltern, und späterhin alle Menschen, dieses Wesen wahrnehmen. Diese Anlage habe ich grundsätzlich sehr spannend gefunden. Mühe hatte ich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen erfahren wir kaum etwas über den Hintergrund der Hauptperson. Dann macht sie im Laufe des Buchs keine Entwicklung durch. Sie bleibt statisch bis zum Schluss. Und schliesslich ist der Romn schlicht zu lang. Die grundlegende Idee trägt nicht über fast 400 Seiten. Zwischendurch habe ich mich immer wieder gelangweilt, und fertig gelesen habe ich nur, weil ich wissen wollte, wie die Geschichte ausgeht.
Die Romane von Lewinsky, die ich bisher gelesen habe, griffen jeweils mehr historische Themen aus dem Umfeld des jüdischen Lebens und Überlebens in der Schweiz und Deutschland auf. Im neusten Werk geht es um individuelle Themen wie Fragen der Identität, der Rolle, der zweiten Chance.
Also, der Plot hat mir gefallen, bei der Entwicklung und Ausführung würde ich Fragezeichen setzen, stellenweise sehr spannend, dann wieder langweilig. Andersen ist sicher nicht das beste Werk von Lewinsky, den ich sonst sehr schätze.