Mittwoch, 21. September 2016

Ein Roman aus der Provinz, der kein Provinzroman ist

Liebe Lesefreunde
UnterleutenVor zwei Wochen habe ich ein Buch in die Hand genommen und war zunächst von dem Umfang erschlagen, da es 635 Seiten dick ist. Mich an so dicke Bücher heranzumachen, ist immer mit sehr viel Überwindung verbunden. Da ich aber schon viel Gutes gehört hatte, überwand ich mich und stieg in die Lektüre ein, und ich muss sagen: es lohnt sich, und zwar (fast) jede Seite! Es handelt sich um das Buch 'Unterleuten' von Juli Zeh, die ja für spannende Romane bekannt ist. Und ihr neusten Werk ist wirklich spannend. Es beschreibt die Situation in dem fiktiven Dorf Unterleuten, das wohl irgendwo in Brandenburg liegt. (Für die Ortsunkundigen: Brandenburg liegt in der ehemaligen DDR). Umgeben von einer lieblichen Lanschaft mit Feldern, Wäldern und Seen wird es bewohnt von Alteingessenen und zugezogenen Städtern, die hier ihre Vision eines heilen Idylls nachleben wollen. Allerdings klappt das nicht so wie gewünscht. Der Nachbar des Vogelschützers verbrennt laufend Gummireifen, ein anderer mäht täglich stundenlang seinen Rasen mit dem Motormäher und als bekannt wird, dass in der Nachbarschaft ein Windpark errichtet werden soll, ist in Unterleuten die Hölle los.
Spannend wie ein Thriller beschreibt Juli Zeh, wie Konflikte sowohl zwischen den Stadtflüchtlingen und Einheimischen, aber auch unter den Alteingesessenen aufbrechen, deren Ursachen bis weit in die DDR-Zeit zurückreichen. Dabei spricht sie Themen an, die in ihrer Bedeutung über das Dorf Unterleuten hinausweisen. Ihre Sprache ist sehr anschaulich, die Beschreibung der Personen und Beziehungen ist brilliant, und die Spannung bleibt bis zum Schluss auf hohem Niveau erhalten. Lesen lohnt sich, auch wenn's 635 Seiten sind!

Freitag, 9. September 2016

Ein Buch, das man gelesen haben muss!



Liebe Lesefreunde
Wer kennt sie nicht, die Kollegen oder Kolleginnen, die jede kollegiale Zusammenarbeit verweigern, nur auf ihren Vorteil achten, über alle Massen strebsam sind und ihre Umgebung damit bisweilen bis auf's Blut reizen.
Dies ist der Hintergrund des Buches, das ich euch heute vorstellen will. Es heisst 'Das Zimmer', geschrieben hat es der Schwede Jonas Karlsson, der bisher eher als Schauspieler bekannt war. Es ist international auf ein begeistertes Echo gestossen, was zwar nicht unbedingt etwas heissen muss, in diesem Fall aber wirklich berechtigt ist.
Die Geschichte handelt von Björn, der innerhalb einer anonymen Behörde in eine neue Abteilung versetzt wird. Er ist ein Einzelgänger, der sich systematisch auf den Weg macht, möglichst schnell eine Vorgesetztenposition zu erreichen, da er von seiner überragenden Kompetenz überzeugt ist. Schnell entstehen die zu erwartenden Konflikte, und ein Ausweg zeigt sich für Björn erst, als er ein kleines, ungenutztes Büro entdeckt, in dem er ungehindert arbeiten kann. Mit der Entdeckung geht das Drama wirklich los, und mehr soll nicht verraten werden. Auf grossartige Weise zeichnet Karlsson ein Bild unserer Arbeitswelt, verbunden mit der Geschichte von Björn, der eigentlich nichts anderes als Glück und Erfolg erlangen möchte und dabei in ein Strudel von kollektiver Ausgrenzung gerät. Genial fand ich, wie Karlsson in die Haut des Protagonisten schlüpft und die Geschichte aus dessen Warte erzählt.
Also: Lesen, auch wenn das Wetter schön ist! Der Roman ist nur gut hundertfünfzig Seiten lang und schnell gelesen. Es ist auch als Hörbuch zu haben für die von euch, die Bücher gern im Auto hören. 

Montag, 5. September 2016

Ein passender Mieter, oder wenn das schöne Bild zerstört wird



Liebe Lesefreunde
Was passiert, wenn der Sohn einer gutbürgerlichen Mittelstandsfamilie auszieht und die zurückgebliebenen Eltern das nun leer stehende Zimmer an einen jungen Mann vermieten, der sich als brutaler Messerstecher und Frauenquäler herausstellt? Um dieses Thema geht es in dem neusten Buch 'Ein passender Mieter' des Schweizer Autors Lukas Hartmann, der manchen von uns eher für Romane mit historischem Hintergrund bekannt ist.
Mit akribischer Genauigkeit und psychologischem Feinsinn beschreibt er, wie diese Erfahrung das labile Gleichgewicht zwischen den Eheleuten untereinander und zu ihrem Sohn zunehmend zerstört und damit alle zu einer Konfrontation mit sich selbst und zu einer Neuformulierung der bisherigen Lebensentwürfe zwingt. Im wahrsten Sinne des Wortes bleibt kein Stein auf dem anderen. Alle Lebens- und Bewältigungsstrategien der Eltern und des Sohnes, die Vorstellungen von Partnerschaft, der Rolle von Mann und Frau, Elternliebe, Freundschaft, von Gut und Böse, sind infrage gestellt und verlieren ihre selbstverständliche Gültigkeit. Neben diesem für alle schmerzlichen Prozess der Verunsicherung findet aber auch ein solcher der Selbstfindung statt, aus dem alle gestärkt hervorgehen.
Ich habe das Buch mit grosser Spannung gelesen!