Liebe
Lesefreundinnen, liebe Lesefreunde
Heute möchte ich
euch gerne drei Bücher vorstellen, die ich in der letzten Zeit gelesen habe.
Das erste heisst Meine geniale Freundin und
ist geschrieben worden von Elena
Ferrante. Das Buch liegt seit längerer Zeit in allen Buchläden und ist
hochgelobt. Eigentlich habe ich immer einen gewissen Widerwillen dagegen, Bücher
zu lesen, um die ein Hype veranstaltet wird. Schliesslich liess ich mich aber
doch darauf ein, und um meinen Eindruck grad vorwegzunehmen: Ein lesenswertes
Buch, aber woher dieser Hype kam hat sich mir nicht erschlossen.
Die Geschichte
handelt von der Beziehung zwischen zwei Mädchen, die in den Fünfzigerjahren in
einem Armenviertel von Neapel aufwachsen und deren Leben sehr unterschiedlich
verläuft. Während der extrem hochbegabten Lila ein zu ihr passender Bildungsweg
verschlossen bleibt, kann die Elena einen anspruchsvollen schulischen Weg gehen.
Der Leser erfährt viel über das Leben in dem Wohnviertel der beiden, das von
Armut, Not, Enge, Gewalt, patriarchalischem Männlichkeitsgehabe und den verzweifelten Versuchen, den beengten Lebensverhältnissen
zu entkommen, geprägt ist. Vor diesem Hintergrund schildert die Autorin die
Beziehung der beiden Hauptpersonen, die verstrickt sind in den Gefühlen der
Freundschaft, Loyalität, Bewunderung, Konkurrenz und Eifersucht.
Die
Beschreibungen der sozialen Situation im Neapel der Fünfzigerjahre haben mir
sehr gut gefallen, während mich das Beziehungsgeschehen zwischen den beiden teilweise
gelangweilt hat. Vielleicht blieb mir als Man das Beziehungsgeschehen in einer
Mädchenfreundschaft verschlossen. Insgesamt finde ich das Buch aber durchaus
lesenswert.
Das zweite Buch
ist der neue Roman von T.C. Boyle
und trägt den Titel Die Terranauten. T.C.
Boyle ist ja bekannt dafür, dass er seine Romanfiguren in extreme Situationen
stellt und daraus den Roman entwickelt. Bei den Terranauten handelt es sich um
eine Gruppe von vier Frauen und vier Männern, die für zwei Jahre in ein
riesiges, nach aussen hermetisch abgeriegeltes Terrarium gehen, um dort zu
leben, um zu überprüfen, ob Menschen in einer solchen Umgebung, die der Aussenwelt
nachgebildet ist, überleben können. Der Roman basiert auf einer realen Vorlage
aus den Neunzigerjahren, als ein solches Experiment tatsächlich in der Wüste
von Arizona durchgeführt wurde. Über sechshundert Seiten schildert Boyle den
Verlauf des Experiments aus der Warte von drei Personen, wobei zwei zu den
Insassen gehören, während eine zum Personal gehört, das das Geschehen von
aussen überwacht. Mit dem ihm eigenen ironischen Stil beschreibt Boyle das Geschehen.
Touristen werden herangekarrt, Fernsehteams aus aller Welt filmen das Geschehen,
nach einer anfänglich produktiven Phase herrscht zunehmend Eitelkeit, Konkurrenz,
Missgunst und Rivalität zwischen den Terranauten, und das über sechshundert
Seiten! Ihr hört wahrscheinlich meinen Vorbehalt. Der Plot ist gut, das Buch
ist nach meinem Eindruck aber viel zu dick! Nach einem Start, der mich
hineingezogen hat, habe ich mich bald gelangweilt, bis ungefähr in der Hälfte
eine Wendung eintritt, die die zweite Hälfte über weite Strecken wieder
spannender gemacht hat. T.C. Boyle ist ein grossartiger Schreiber, den ich
immer wieder gern lese, aber die Terranauten haben mich insgesamt nicht
überzeugt. Wenn man das Ende eines Buches herbeisehnt statt bedauert, dann ist das
für mich kein gutes Zeichen.
Ganz anders ist
es mir mit dem dritten Buch ergangen, das schon länger auf dem Stapel der ungelesenen
Bücher liegt. Ganz bewusst hatte ich nach den beiden dicken Wälzern ein kleines
Büchlein herausgefischt. Es heisst Der
Bahnwärter und ist geschrieben von Andrea
Camilleri. Den Krimifans unter euch ist Camilleri sicher bekannt als Autor
des Inspektors Montalbano, der immer etwa grummelig seine Fälle löst und sich
ungern beim Essen stören lässt.
Beim Bahnwärter
handelt es sich nicht um einen Krimi sondern um die Geschichte von Nino dem
Bahnwärter, der mit seiner Frau Minica ein friedliches Leben als Bahnwärter an
einer abgelegenen Strecke führt, mit seiner Frau glücklich ist und am Sonntag
mit ihr am Strand sitzt. Dieses Idyll wird jäh zerstört, als die Gewalt mit dem
Faschismus und dem Krieg in das Leben der beiden eindringt.
Nino unternimmt alles, um sein Leben und seine Liebe zu Minica zu verteidigen
und zu retten.
Ich habe das
Büchlein mit viel Freude gelesen. In wunderbar einfacher Sprache und
berührenden Bildern schildert Camilleri, wie Nino, der ein herzensguter Mensch ist und niemandem etwas zuleide tun möchte, in schreckliche Situationen gerät und doch immer nur seine Minica schützen möchte.