Liebe
Lesefreundinnen und –freunde
Heute möchte ich
euch zwei Romane und ein Sachbuch vorstellen.
Der erste Roman
ist der neuste von Donna Leon und
trägt den Titel Stille Wasser. Es
ist der sechsundzwanzigste Fall von Commissario Brunetti. Eigentlich hatte ich
von mir gedacht, dass ich mit den Romanen von Donna Leon durch bin, sind sie
doch alle nach dem mehr oder weniger gleichen Schnittmuster konzipiert. Man
nehme ein aktuell wichtiges Thema, einen Mord, Inspektor Brunetti, seine stets
köstlich kochende Paola, seine wohl geratenen Kinder, einen latent korrupten
Vice-Questore Patta, Venedig, und schon sind alle Ingredienzien beisammen. Der
neuste Roman aber ist anders. Die Handlung findet hauptsächlich in der Lagune statt,
die obligatorische Leiche taucht erst nach hunderundzehn (110!) Seiten auf, die
Geschichte ist wundervoll aufgebaut. Als Leser/in tauchen wir in eine fast versunkene
Welt ein, deren Existenz neben dem infernalischen Touristenrummel in Venedig
kaum noch möglich zu sein scheint. Wunderbar zu lesen und spannend bis zum
Schluss. Stille Wasser ist sicher einer der besten Romane von Donna Leon.
Der zweite Roman,
den ich euch vorstellen möchte, heisst Chaya
und wurde von Kathy Zarnegin
geschrieben. Kathy Zarnegin wurde in Teheran geboren und kam 1968 als
Vierzehnjährige in die Schweiz. Als junges Mädchen beschliesst sie, Schriftstellerin
zu werden und träumt davon, nach Westeuropa oder in die USA zu gehen, so wie es
damals viele junge Iraner gemacht haben. Schliesslich schicken ihre Eltern sie
zu Verwandten in die Schweiz, weil die dort ein besseres Leben haben würde. Mit
grossem Elan lernt sie sehr schnell die deutsche Sprache. In dem Buch
beschreibt sie in knappen Kapiteln ihre vielfältigen Erfahrungen, die sie in
dem Prozess der Integration in der Schweiz gemacht hat. Wir lernen eine junge
Frau kennen, die sich furchtlos ihrer neuen Welt annähert, der Sprache, den
Beziehungen, ihrer Rolle als Emigrantin, die eine Herkunftswelt in sich trägt,
die zunehmend verblasst, aber immer noch Teil von ihr ist. Ich habe das Buch
mit grossem Interesse gelesen.
Das dritte Buch
stammt von Henning Beck und trägt
den Titel Irren ist nützlich mit dem
Untertitel Warum die Schwächen des
Gehirns unsere Stärken sind. Inzwischen werdet ihr wahrscheinlich schon
bemerkt haben, dass mich das Thema, wie unser Gehirn funktioniert, sehr
interessiert. Henning Beck ist Neurowissenschaftler und versucht, an Hand
populärwissenschaftlicher Bücher die Funktionsweise des Gehirns verständlich zu
machen. Wie der Titel des Buches schon sagt, führt er aus, dass das Gehirn kein
Organ ist, das computergleich Daten sammelt und nach Bedarf wieder ausspuckt.
Nach seiner Überzeugung ist es im Gegenteil langsam, ungenau und fehlerhaft,
aber gerade darin sieht er die Quelle für neue Ideen und Entscheidungen, für
Kreativität, und für die Fähigkeit, Wissen immer wieder neu zu organisieren und
weiter zu entwickeln. Gerade die Unvollkommenheit des Gehirns macht es aus,
dass es den Maschinen überlegen ist. Henning Beck schreibt sehr verständlich
und mit viel Humor. Wer sich immer wieder grämt über die Unvollkommenheit
seines Gedächtnisses, wird das Buch mit Gewinn lesen.
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